Der Bund möchte mit der Axenstrasse einen Gotthard-Zubringer für eine Milliarde Franken ausbauen. Im Kanton Schwyz wollen links-grüne Politiker das Projekt bodigen – mit einer kantonalen Volksinitiative.
Der Schwyzer Baudirektor Othmar Reichmuth hat gestern Besuch von einem Namensvetter erhalten: Toni Reichmuth. Den CVP-Regierungsrat dürfte das Treffen mit dem Präsidenten der Grünen Schwyz nicht eben erquickt haben. Denn Toni Reichmuth und seine Mitstreiter aus dem links-grünen Lager wollen den geplanten und von der Schwyzer Regierung befürworteten Ausbau der Axenstrasse verhindern. Ihre politische Waffe ist eine kantonale Volksinitiative, welche die Kantonsverfassung mit einem Auftrag ergänzen soll.
Demnach sollen die Schwyzer Behörden «mit allen rechtlich zulässigen Mitteln» darauf hinwirken, dass die neue Linienführung dieser Nationalstrasse (A4) «nicht realisiert wird». Nächste Woche wollen die Initianten damit beginnen, die benötigten 2000 Unterschriften zu sammeln. Sie erwarten, dass das Schwyzer Stimmvolk im Verlauf des Jahres 2016 über die Initiative befinden kann. Support erhoffen sie sich nicht zuletzt aus dem bürgerlichen Lager, wo das Projekt namentlich in der SVP zahlreiche Gegner hat.
Mit der Lancierung der Initiative tritt der seit Jahren schwelende Zwist um den Ausbau dieser wichtigen Nord-Süd-Verbindungslinie in eine neue Phase. Der Bundesrat hatte dem Projekt 2009 zugestimmt. Kostenpunkt: 980 Millionen Franken. Der Kanton Schwyz soll rund 60 Millionen beisteuern, Uri deren 6. Den grossen Rest zahlt der Bund.
Zusätzlich will er für 240 Millionen Franken die bestehende Axenstrasse sanieren und danach in die Hoheit der beiden Kantone übergeben. Kernstück des Projekts sind der Sisikoner und Morschacher Tunnel. Die Neubauten sollen nach Vorstellung des Bundesrats den Verkehrsfluss erhöhen, den Kanton Uri besser an die Wirtschaftsregion Zürich anbinden, Sisikon vom Durchgangsverkehr befreien und die 1865 eröffnete, sanierungsbedürftige Strecke sicherer gegen Rüfen und Felsstürze machen. Der Baustart ist 2017 geplant, die Eröffnung 2025.
Mehrverkehr befürchtet
Die Initianten hingegen befürchten, dass der Ausbau weiteren Transitverkehr auf die A4 in Richtung Gotthard locken wird – vor allem aus der Ostschweiz, von wo heute schon zunehmend mehr Lastwagen und Autos über Rothenthurm und Sattel in die Innerschweiz gelangen, wie die Initianten beklagen. Das Projekt verletzt aus ihrer Sicht die vom Schweizer Volk angenommene Alpeninitiative zweifach. Zum einen, weil die neue Strasse die Kapazität der Transitstrassen erweitere. Zum anderen, weil sie dem Ziel der Initiative zuwiderlaufe, den alpenquerenden Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern.
Die Schwyzer Regierung unterstützt die neue Axenstrasse nicht zuletzt mit der Begründung, der Kanton müsse dieses Bundesprojekt ausführen, ob er wolle oder nicht. Die Initianten bezweifeln das. Seit der Neugestaltung des Finanzausgleichs (NFA) im Jahr 2008 ist es zwar allein Sache des Bundes, Nationalstrassen zu bauen; diese Novität wurde seinerzeit in der Bundesverfassung (Artikel 83) verankert.
Doch beim Axen-Projekt, so zeigt ein juristisches Gutachten der Initianten, gilt die alte Regelung: Demnach bleibt die Fertigstellung all jener Strecken, die wie die Axenstrasse seit 1960 im Bundesbeschluss über das Nationalstrassennetz fungieren, eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund und betroffenen Kantonen. Das Gutachten hält dies mit Verweis auf die Übergangsbestimmungen zum fraglichen Artikel 83 fest. Nach Ansicht der Initianten hat die Schwyzer Regierung also «sehr wohl Handlungsspielraum» und kann mit einem Volksentscheid im Rücken Verkehrsministerin Doris Leuthard (CVP) zum Abbruch des Projekts bewegen.
Vorbild Kanton Obwalden
Ihre Zuversicht schöpfen die Initianten aus einem ähnlich gelagerten Fall im Kanton Obwalden: Dessen Kantonsregierung hatte letztes Jahr gegenüber Leuthard Bedenken geäussert, wonach der geplante Ausbau der Nationalstrasse A 8 mit dem Umfahrungstunnel Kaiserstuhl zwischen Giswil und Lungern den Schwerverkehr über den Brünigpass anschwellen lassen könnte. Der Gang nach Bern zeitigte Folgen: Das Projekt wurde für fünf Jahre auf Eis gelegt.
Ob auch die Schwyzer Erfolg hätten, ist indes zweifelhaft. Das federführende Bundesamt für Strassen (Astra) in Leuthards Departement verteidigt auf Anfrage den Bau der neuen Axenstrasse. Dieses Projekt sei mit dem Kaiserstuhltunnel nicht vergleichbar, weil die beiden Strecken «nicht dieselbe verkehrliche Bedeutung» aufweisen würden. Das Astra hält die neue Axenstrasse also für zu wichtig, als dass ihr Ausbau verschoben oder gestrichen werden könnte.
Stefan Häne
Tagesanzeiger.ch/Newsnet, 21.08.2014