Im Kanton Schwyz ist ein Komitee in Gründung, das einen Volksentscheid über den Neubau des nördlichen Teils der Axenstrasse anstrebt. Ein Gutachten empfiehlt ihm die Lancierung einer Volksinitiative.Heading Text

Die Axenstrasse am Urnersee gehört zu den symbolträchtigsten Strassen der Schweiz. Nicht nur, weil sie vis-à-vis der Gründungsstätte der Eidgenossenschaft verläuft, sondern auch, weil sich ihr Bau im 19. Jahrhundert komplex gestaltete. Zum einen galt es, schroffe Berge zu bezwingen, zum anderen mussten sich zwei Kantone auf ein gemeinsames Projekt verständigen. In den nächsten Monaten und Jahren könnte sich hier erneut etwas zuspitzen, was in der ganzen Schweiz latent Thema ist: die Frage, wie viel Mitsprache der Bevölkerung beim Nationalstrassenbau zukommen soll.

Generelles Projekt von 2009

Heute gehört die Strasse, die bis zur Eröffnung der Autobahn auf der anderen Seeseite einzige strassenseitige Zufahrt zum Gotthard war, zum Nationalstrassennetz. In diesem Rahmen ist der schrittweise Aus- oder Neubau dieser Achse vorgesehen. Realisiert sind Umfahrungen von Brunnen und Flüelen. 2009 hatte der Bundesrat das generelle Projekt für den Abschnitt von Ingenbohl bis südlich von Sisikon verabschiedet. Das neue Trassee verläuft im Berg; zwischen dem Morschacher und dem Sisikoner Tunnel ist ein kurzes offenes Stück vorgesehen. Die Strasse entlang des Seeufers und durch das Urner Dorf Sisikon soll an die Kantone übergehen.

Gemäss der Nationalstrassenverordnung gehört die neue Axenstrasse noch zu jenen Vorhaben, die der Bund und die betroffenen Kantone gemeinsam erstellen und finanzieren. Bei neuen Projekten ist der Bund alleine zuständig. Von den auf 750 Millionen Franken veranschlagten Kosten für die neue Strasse trägt der Bund rund 94 Prozent, 8 Prozent steuert der Kanton Schwyz bei und 3 Prozent der Kanton Uri. Anders als wenn es sich um eine Kantonsstrasse handeln würde, sind bei Aus- oder Umbauten von Nationalstrassen keine Volksabstimmungen vorgesehen.

Dies war im vergangenen Jahr der Hauptgrund für das letztlich wohl ausschlaggebende Engagement auch grüner und linker Kreise gegen den Netzbeschluss, der an die Verteuerung der Autobahnvignette von 30 auf 100 Franken geknüpft war und die Überführung von rund 400 Kilometern Kantonsstrasse in Nationalstrassen vorgesehen hätte. Im Kanton Schwyz ist nun ein Komitee in Gründung, das die kantonalen Behörden via Volksinitiative in der Kantonsverfassung darauf verpflichten will, «im Rahmen des bundesrechtlich Möglichen» auf einen Verzicht auf das Bauprojekt hinzuwirken. In einem Gutachten, das die Gegner des Vorhabens um den grünen Kantonalpräsidenten Toni Reichmuth bei den Juristen André W. Moser und Andreas Auer eingeholt haben, wird dieses Vorgehen als am schnellsten und effektivsten bezeichnet.

uch wenn die beiden Verfasser darauf hinweisen, dass das Kantonsparlament das Volksbegehren für ungültig erklären könnte, weil es den Kanton verpflichtet, sich gegen ein Vorhaben zu engagieren, an dem er über den Netzbeschluss beteiligt ist: Reichmuth und seine Mitstreiter sind zuversichtlich, dass ihrem Vorgehen Erfolg beschieden sein wird. Zum einen gebe es auch in den Reihen der SVP Opposition gegen das Projekt, mit dem grosse Folgekosten verbunden seien, unter anderem in Form der Unterhaltsaufwendungen für die dannzumal an den Kanton zurückfallende bestehende Axenstrasse.

Offene Frage der Mitsprache

Zum anderen halten sie es für unwahrscheinlich, dass der Bund nach Annahme ihrer Initiative die neue Strasse dennoch und in eigener Regie oder allein mit dem Kanton Uri realisieren könnte. Im Rechtsgutachten wird auf zwei Beispiele verwiesen, welche die Annahme nahelegen, dass der Bund Nationalstrassenprojekte in solchen Fällen nicht durchzieht. Präjudizierend ist nach Ansicht von Reichmuth auch das vom Bund auf Verlangen des Kantons Obwalden verhängte Moratorium über einen weiteren Tunnel auf der Achse der Nationalstrasse 8.

Die Auseinandersetzung im Kanton Schwyz ist exemplarisch. Sie macht deutlich, dass der Mangel an institutionalisierten politischen oder partizipativen Mitbestimmungsmöglichkeiten auf kantonaler oder regionaler Ebene bei Nationalstrassenprojekten den Widerstand dagegen erst recht befeuert.

 

Paul Schneeberger
NZZ, 21. August 2014

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